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Nghệ thuậtSân khấu
23.6.2002
Ea Sola
„Die Avantgarde in Vietnam ist im Entstehen“
Gespräch mit Ea Sola
 
*

Die Tradition und die Moderne sind die Bezugspunkte deiner Arbeit. Wie sind diese Themen mit deiner Biographie verbunden?

Tradition und Moderne sind zwei unterschiedliche Werte. Der erste ist anonym und setzt sich von Generation zu Generation fort; Tradition wird von der Gruppe wiedererkannt. Demgegenüber ist die Moderne eine ästhetische, moralische und politische Reflexion, von einem persönlichen, individuellem Standpunkt aus gesehen.
Durch meinen Aufenthalt in Frankreich habe ich die Kunst entdeckt, die aus der persönlichen Sicht eines Künstlers entsteht, während ich vorher nur die Kunst kannte, die auch meine Ururgroßeltern schon gekannt haben. In Europa habe ich eine Vielzahl persönlicher Ausdrucksarten kennengelernt, die mit der Stadt und der westlichen Welt in Zusammenhang stehen.
Von da aus habe ich angefangen, meinen eigenen Weg zu entwickeln. Dieser hatte kulturell und politisch eine starke Verbindung sowohl zu meiner Heimat Vietnam als auch zu meiner neuen Existenz in Frankreich. Vietnam, der Ort, der in mir war, und Frankreich, der Ort, der vor mir war, definierten die Spannung dieses Weges. Aber wie konnte ich mit dieser Geschichte leben? Wie konnte die in mir vorhandene vietnamesische Tradition mit einer zeitgenössischen Haltung zusammengehen?
Ich bin also nach Vietnam zurückgekehrt, ich fühlte, daß dieses Zeitgenössische eine Verbindung mit der vietnamesischen Zivilisation eingehen mußte.
Diese Zivilisation, das sind meine Großeltern und ihre Großeltern, sind zahlreiche Vorstellungen, die in mir sind und die auch ein Teil meiner Sprache sind. Mich von dieser Geschichte abzuschneiden, bedeutet, daß die Wahrnehmung des Unendlichen, die die Basis meiner Existenz ist, absterben würde. Das impliziert für mich das Ende.

Voilà Voilà setzt die Werke Sécheresse et Pluie (Trockenheit und Regen) und Il a été une fois (Es war einmal) fort. Welche Verbindung besteht zwischen diesen verschiedenen Arbeiten? Ist es eine Trilogie?

Sécheresse et Pluie und Il a été une fois sind Arbeiten über das Gedächtnis, über die Tradition und die Moderne. Ich habe dort die musikalischen Traditionen Vietnams weiterentwickelt. Ich habe ein szenisches Universum geschaffen, indem ich mich von den Elementen des Landlebens inspirieren ließ. Ich habe, mittels der Geste und von der zeitgenössischen Geschichte Vietnams ausgehend, das Gedächtnis zum Thema gemacht. Wenn man bedenkt, daß die intellektuellen und kulturellen Grundlagen dieses Landes von den Menschen auf dem Lande, vom ländlich gebildeten Leben stammen, daß die Landwirtschaft und der Rhythmus der Jahreszeiten die Identität dieses Volkes geformt haben, so stand ich einer schlichten und schmucklosen Ästhetik gegenüber.
Voilà voilà ist ein Werk, das ich ausgehend von der Arbeit über Tradition und Moderne geschaffen habe, die ich seit 1992 in Vietnam durchführe. Dennoch ist dabei keine Trilogie entstanden. Es sind Ergebnisse einer zum Alten gewandten Phase der künstlerischen Kreation.
In diesem Stück arbeite ich mit drei musikalischen Traditionen, also mit drei verschiedenen Sprachen. Ausgehend von der Perkussion, einem Instrumentarium, das jeder dieser Traditionen gemeinsam ist, entsteht eine zeitgenössische Partitur.
Die Traditionen strukturieren sich durch unterschiedliche Kontexte: die Monarchie für Tuồng, das Private, Urbane, für Ca Trù und das Ländliche, also das mit der Natur Zusammenhängende für Chèo. Vor allem letztere beeinflussen die Choreographie. Hier wird eine Vorstellung von Natur, die Leidenschaft und Freiheit in sich trägt, die Rigidität der monarchischen Bewegung auflösen, um - wie ich hoffe - zum intimen Ausdruck des Individuums zu gelangen, wie er durch Ca Trù ausgedrückt wird.
Das Zeitgenössische findet sich hier in der Modelierung des musikalischen Materials. Dabei entsteht ein Rhythmus, der aus Brüchen, aus Vermischungen und aus gegenläufigen Tempi zusammengesetzt ist. Anders ist es mit der Choreographie, die wie in den vorhergehenden Stücken vollständig zeitgenössisch ist.

Ist der Ausgangspunkt Deiner Arbeiten immer die Musik, die mit den Gesten und Bewegungen verbunden ist?

Ich bin in einem musikalischen Universum großgeworden; schon die vietnamesische Sprache ist äußerst musikalisch; die Musik hat in Vietnam einen großen Stellenwert. Sie ist sehr reich und vielfältig und reflektiert die Sensibilität dieses Volkes. Die Musik gehört zu meinem Schaffensprozeß genauso wie der Gesang, die Bewegung und das Gedächtnis.

Welche ästhetische Arbeit oder welches künstlerische Werk ist für dich wichtig, in Europa und in Vietnam?

Was mich am meisten erstaunt und bewegt, ist diese Schlichtheit, diese Einfachheit, diese Geradlinigkeit der ländlichen vietnamesischen Kunst.
Diese Ästhetik hat für mich einen Zusammenhang mit dem antiken Griechenland, mit dem neuen Hof des Louvre, mit bestimmten Werken Malevitchs, von der Klarheit eines Gefühls aus betrachtet, das in den Dörfern Vietnams von einem Tag zum anderen gelebt wird. Sehr konzentrierte Schönheit, sich widersprechend, wie die Klavieretuden von Ligeti.

Du arbeitest trotz schwieriger Bedingungen in Vietnam. Was ist dein Anliegen? Hast Du eine Art Auftrag?

Bevor ich nach Vietnam zurückgekehrt bin, habe ich jahrelang auf der internationalen Szene keine vietnamesische Präsenz gesehen. Ich habe nicht verstanden, warum sie fehlt. Das hat mich zum Nachdenken gebracht, und ich habe verstanden, welche Konsequenzen die Kolonisation, der Krieg und das Embargo für dieses Land hatten: ein Land, das seine Unabhängigkeit wollte, das versuchte zu überleben, und das keine Zeit hatte für eine Atempause, keine Zeit, einen künstlerischen Aufbruch zu planen. Meine Arbeit hat den vietnamesischen Interpreten und Künstlern die Möglichkeit gegeben, in der westlichen Welt präsent zu sein und eine Sensibilität zum Ausdruck zu bringen, die lange Zeit unterdrückt war.
Die schwierigen Bedingungen künstlerischer Arbeit haben hier ihren Ursprung. Jetzt muß man diesem Land zum Aufbau seiner Identität Zeit lassen.

Deine Arbeit ist wahrscheinlich Vietnams wichtigster kultureller Botschafter in der Welt. Für welches Publikum schaffst du deine Produktionen?

Ich glaube, daß jeder Künstler, jeder Interpret, jedes Werk ein Botschafter ist. Meine Arbeit richtet sich an ein Publikum aus Fleisch und Knochen und aus Farben.

Beeinflußt deine Arbeit die Kunstwelt in Vietnam?

Seit meiner Rückkehr nach Vietnam hat meine Arbeit dort ein Echo gefunden, eine Beziehung und ein Vertrauen zu dem Land entwickelt und Fragen aufgeworfen in den Kunstinstitutionen und dem Kunstmilieu Vietnams. Und ich konnte die Intellektuellen und Kunstschaffenden aller Bereiche treffen und mit ihnen Gespräche führen. Ich habe immer wieder den Kontext dargestellt, in dem die französischen Kompanien sich entwickeln und auch den des zeitgenössischen Kunstschaffens in Europa, vor allem in Gesprächen mit offiziellen Repräsentanten Vietnams.

Welches sind die Perspektiven für die Künstler in Vietnam? Gibt es eine vietnamesische Avantgarde?

Das vietnamesische Kulturministerium hat den Künstlern gerade die Möglichkeit gegeben, Kompanien mit völliger Autonomie zu bilden. Und die Künstler sind dabei, ihren persönlichen Aufbruch in verschiedene zeitgenössische Richtungen zu entwickeln. Die Avantgarde in Vietnam ist im Entstehen.

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*) Überschrift vom Übersetzer