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7.6.2002
Gunter Gebauer
Fußball ist kein Sport mehr
Der Soziologe Gunter Gebauer über den unterhaltenden Fußball, verliebte Spieler und die Sport-Geld-Ehe / Ein FR-Interview
 
Fußball ist kein Sport mehr, sagt der Berliner Sportsoziologe und Philosoph Gunter Gebauer. Fußball ist ihm inszenierte Massenunterhaltung und er warnt vor der Künstlichkeit des modernen Sports, durch die dieser selbst in Frage gestellt werde. Mit Professor Gunter Gebauer sprachen die FR-Mitarbeiter Rainer Schäfer und Christoph Ruf.


FR: Die Anti-Stimmung unter den Fußballfans hat zugenommen. In vielen Ligen bedrohen Fans ihre Stars, "Scheiß-Millionäre"-Rufe wie in der Bundesliga sind dagegen fast schon harmlos. Ist das mit Sozialneid zu erklären?

Gebauer: Das ist nur ein Aspekt. Sport wird immer stärker medial inszeniert, es werden Geschichten hergestellt von Helden, die ungeheuerliche Taten vollbringen. Es sind oft zu grosse Anzüge, die da für die Athleten geschneidert werden.

Wenn in der Kunstwelt der Lack abblättert, randalieren die Fans?

Das kann passieren. Aber es wird immer über den kommerzialisierten Sport geklagt, dabei war Sport wie etwa in England schon sehr früh mit Geldverdienen verbunden. Es ist eine typische Mittel- und Oberschichts-Vorstellung, dass die Verschönerung der Existenz durch Kunst, Liebe und Sport nichts mit Geld zu tun haben darf. Der Amateurstatus wird idealisiert, Sport und Geld als gemeine Ehe denunziert.

Ist das nicht so?

Wie könnte diese Ehe denn geschieden werden? Sport kostet enorm viel Geld. Das als Makel darzustellen, kennzeichnet eine zwiespältige Haltung zum Sport, auch seiner Vertreter zu ihrem eigenen Produkt. Spätestens seit Fernsehen dominierendes Medium der Freizeitgestaltung geworden ist, wurde Sport zum raren Gut, das zwangsläufig in immer stärkere ökonomische Bezüge eingespannt wurde. Dabei ist das Geld im Sport nicht einmal das Schlimmste.

Was dann?

Es wird eine Realität erzeugt unter großer Beteiligung von Apparaten. Dadurch erhält der Sport einen sehr künstlichen Charakter. Es besteht die Gefahr, dass Sport zu einem dargestellten Ereignis wird, das nicht mehr auf die Wirklichkeit bezogen werden kann, nicht mehr auf eigene Erfahrungen, auf die eigene Körperlichkeit. Das wird als abgehoben empfunden. Daher reagieren die Zuschauer auf dieses Kunstprodukt zunehmend irrational.
Im Fußball nehmen schon Drittligisten die Hilfe von Werbeagenturen in Anspruch, um sich mit Imagekampagnen effektiver vermarkten zu lassen: als Markenprodukte. Das heißt doch nur, dass man die Professionalisierung und Kommerzialisierung auf die Spitze treibt - die aber liegt eben schon in der Entwicklung des Fußballs. Sportvereine hatten schon in den 20er Jahren ihre Images. Der HSV hat schon um 1900 behauptet, ein ganz feiner Verein zu sein. Mancher Klub hat ein gewachsenes Image, das die Wirklichkeit karikiert: Wie Schalke oder Dortmund als Arbeiterklub. Dabei waren die zentralen Spieler schon in den 30er Jahren von der Arbeit freigestellt. Aber dieses Bergarbeiter-Image kam gut an, allerdings nur in Verbindung mit einem phantastischen Fußball.
Handballerinnen betreiben Exhibitionismus, um ihre Sportart besser zu verkaufen. Das ist unglaublich billig. Sportarten, die nicht zu den Top 5 des Medieninteresses gehören, versuchen, sich durch voyeuristische Elemente aufzuwerten. Aber Handball wird durch schwarze Spitzen-BHs nicht interessanter. Und wenn man Rhythmische Sportgymnastik unter erotischen Gesichtspunkten anschaut, ist das eine Form von sportlich verbrämter optischer Kinderschänderei.

Ist es nicht auch schamlos, wenn Werbeagenturen über Jahre gewachsene Fankulturen kommerziell ausschlachten?

Viele Klubs zählen ihre Fans zum Vereins-Kapital - auch im ökonomischen Sinne. Aus der Sicht der Fans kann es als Enteignung empfunden werden, wenn aus ihrem persönlichen Gut Kapital geschlagen wird. Für Klubs ist es aber wichtig, originelle Fans zu haben wie der FC St. Pauli oder gewalttätige Fans zu haben wie Real Madrid mit seinem rechtsnationalen Block, der unter den Fittichen der Klubführung sein neofaschistisches Gedankengut verbreitet. Die Fangruppe Nord macht Terror und schafft ein Image: Vor diesem Verein muss man sich in Acht nehmen. Der Klub kann sich davon distanzieren, aber in Wirklichkeit profitiert er wissentlich davon: Eine besonders perfide Strategie. In der Bundesliga werden Stadien zu Erlebnisparks für solvente Zuschauer umgewandelt. Ein neues Publikum wird angelockt, das angestammte abgestossen. Das ist ja angeblich immer sportlichen Zielen eines Vereins untergeordnet.
Uli Höness sagt ja, er betreibe diese Strategie nur, um sportlich stärker zu werden. Für ein Sportunternehmen, das sich weiterentwickeln will, leuchtet rein ökonomisch nicht ein, dass es seinem angestammten Publikum treu bleiben muss. Als Fan kann man das bedauerlich finden.

Fans leiden auch darunter, dass im Fußball-Neoliberalismus Werte wie die Identifikation mit dem Klub verloren gehen. Sollten sie sich nicht damit abfinden, dass Profis im Idealfall ihre Identifikation mit dem Klub auf dem Platz zeigen?

Ein wirklicher Fan gibt weit mehr als das, was normale Fernseh- oder Stadionbesucher geben. Er gibt etwas von seiner eigenen Person, dafür darf er auch etwas zurückerwarten. Diese Fans machen ihre Stars. Die Heiligenproduktion erfolgt durch die Gemeinde, die erzeugt ihre Götter. Und die wissen auch darum. Wenn sie sich nicht verhalten wie erwartet, entzieht ihnen die Gemeinde die Gunst. Die Helden fallen heute sehr schnell. Das sind sehr machtvolle Prozesse, die sich abspielen zwischen Fangemeinden und ihren Stars.

Kümmert denn einen Fußball-Profi die enttäuschte Liebe seiner Gemeinde?

Wenn einer von Schalke zu Dortmund geht, verliert er seine Gemeinde sofort. Die Frage ist, kriegt er eine neue? Wenn er keine neue Gemeinde findet, ist er alles los. Dann verdient er zwar mehr Geld und hat vielleicht einen besseren Verein. Aber er hat das verloren, was Fans ihm geben können. Das ist unbezahlbar.

Ist die Gesichtslosigkeit vieler Profis auch eine Konfliktverhinderungsstrategie? Man will sich nicht eindeutig zu etwas bekennen, weil man ohnehin von einem Klub zum andern zieht und kein Glaubensbekenntnis ablegen kann?

Ein Bekenntnis kann ja auch echt sein: Ein Spieler kann sich, unabhängig vom Geld, wirklich bei einem Klub ausserordentlich wohl fühlen. Prozesse des Verliebtseins, wie Freud das nennen würde, können sich ereignen. Auch bei Fußball-Millionären. Im deutschen Fußball ist das selten. Gefühlsbegabtheit und Charakter sind in der Bundesliga nur sehr wenigen Spielern vorbehalten. Unsere Profis sind, was die Emotionen angeht, ein bisschen dürrer. In anderen Ländern ist es ein Wert, wenn Spieler auch emotional etwas geben. Unter all den Dutzendschauspielern, die wir im deutschen Fußball haben, sind nicht viele Charakterdarsteller. Dabei ist die Sehnsucht nach Stars und Originalität immens.
Durchschnitts-Menschen wie Mario Basler werden zu Superstars gemacht, zu kantigen Persönlichkeiten. Fans suchen im Sport Stars, die aus dem Durchschnitt herausgehoben sind. Das wird verstärkt durch die Showelemente im TV. Daher gibt es keine Sportsendungen mehr, es sind neue Mischformen entstanden, mit dem Charakter von Seifenopern. Aber Persönlichkeiten brauchen Einmaligkeit, wie ein Beckenbauer oder Netzer. Jeder Star versucht daher, ein gewisses Typenrepertoire für sich auszugestalten, durch sportliche und schauspielerische Leistung. Problematisch wird es, wenn Images künstlich aufgepfropft werden, die nicht vermittelbar sind. Wenn aus Dujardin der grösste Cognac der Welt gemacht werden soll, dann haut das nicht hin. Als Sorgentröster für Rentner schon. Wenn aber auf Teufel komm raus überinszeniert wird, funktioniert das nicht. Auch nicht bei Mario Basler.
Das Banale wird in Formen der Massenunterhaltung wie im Sport oder in Big Brother ständig überinszeniert. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Der Bogen wird ständig überspannt, auch im Fußball. Das funktioniert dort, wo Zuschauer mehr sehen wollen als ein Fußballspiel und diese Erwartung ist weit verbreitet. Fußball ist kein Sport mehr. Das anzunehmen, bedeutet Denken in alten Kategorien.

Damit müssen wir uns jetzt abfinden?

Man kann das Rad nicht mehr zurückdrehen. Vor 30 Jahren war Sport mit dem Ziel von Leistungssteigerung und der Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen, verbunden. Inzwischen ist ein Konglomerat entstanden aus Sport, der Überinszenierung von sportlichen Persönlichkeiten, Unterhaltung, Geschäft, Mythos, Epos und Tragödie. Das kriegen wir nicht mehr auseinander. Es kann nur noch in sich zusammensinken. Aber es trägt sich, erst einmal.

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(*) Titel von Talawas
Nguồn: Frankfurter Rundschau 07.06.2000